Agent 47 ist zurück. Und wie! Nachdem sich IO Interactive mit Hitman Absolution ein geradlinigeres Werk geschaffen hat, soll es dieses mal, eher wie in Blood Money, um freie Auswahl und schier unendliche Möglichkeiten gehen, um ans Ziel zu gelangen. Aber ob die großen Ambitionen auch in die Realität umgesetzt wurden zeigt euch unser Testbericht.
Bloß erst der Anfang?
Im Vorfeld der Veröffentlichung stand jedoch weniger das Gameplay oder die Technik im Vordergrund, sondern das Modell hinter der Veröffentlichung. Denn anstatt es an einem festen Tag als Ganzes publik zu machen, hat man sich für ein Episodenmodell entschlossen. Diese Entscheidung wurde getroffen, als Telltale Spielegroß im Trend waren, ein Life is Strange sich daran bediente und in Resident Evil Revelations 2 in eine Absurdität mündete. Demnach fiel die Resonanz auf das von Square Enix gewählte Modell für Hitman ziemlich negativ aus.
Spätestens aber nach dem Intro Pack, welches ich ebenfalls hier rezensiert habe, wurde vielen Kritikern klar, dass das vielleicht gar keine so schlechte Idee war, als man es zunächst vermutet hat. Zum Intro Pack werde ich hier nicht mehr Stellung beziehen, gerne könnt ihr das Review dazu nachholen, welches ihr hier findet. Es geht jetzt ans Eingemachte und nun beantworten sich die offenen Fragen, die mit dem Intro Pack noch nicht beantwortet wurden, die ich aus meinem alten Review aber aufgreifen möchte.
Hitman ist, anders als ursprünglich geplant, nun doch ein kleiner Teil eines großen Werkes und prompt wurde aus den ganzen angekündigten Episoden die Season One, weitere sollen folgen. Die erste Season beinhaltet nun das Intro Pack, bestehend aus den Tutorial Missionen und dem Paris Level, sowie fünf weiteren Schauplätzen. Diese wurden wirklich gut ausgewählt, ob High-Tech Privatklinik in Japan, ein militarisierter Bauernhof in Colorado oder ein großes Villenanwesen in einer fiktiven italienischen Stadt, die Settings sind von Grund auf verschieden und bieten allein vom Grundriss schon sehr viel Abwechslung.
Ich werde nicht jede Location einzeln aufdröseln, aber euch einen kleinen Einblick liefern, wie das neue Hitman im Kern aufgebaut ist. Vor einer jeden neuen Episode gibt es kurzes Video, worin der Schauplatz gezeigt wird und die gegenwärtige Lage vorgestellt wird. Amit einbezogen sind die jeweiligen Ziele und was die Umstände sind, weshalb gerade diese Leute auf der roten Liste von Agent 47 stehen.
Quelle: Square Enix/ IO InteractiveDanach geht es in die Vorbereitung. Hier kann man Aussehen, Equipment und sogar Startort wählen, je nach persönlicher Spielart kann man also sein Lieblingsset zusammenstellen. Im Falle der zweiten Episode Sapienza findet man sich an einem scheinbar traumhaften Urlaubsort wieder. Sonne pur, belebte Gassen, schöner Strand, wo soll hier bitte Verbrechen herrschen? Und hier greift eine große Stärke. Die Schauplätze im neuen Hitman sind nämlich riesig. Und sie sind nicht nur in ihrer Größe besonders, sondern allein ein einziger Schauplatz bietet so viele Facetten. Da ist allein auf Sapienza die Stadt für sich mit einem Strand, einem Villenanwesen mit mehreren Etagen, einem großen Außengelände und einem geheimen Forschungslabor im Keller, welcher in eine Höhle mündet, die wiederrum zum Wasser führt. Man kommt sich zu keinem Zeitpunkt verloren vor, was die wohl größte Angst bei einem Spiel dieser Art bei enormer Größe ist. Und nicht nur das, jeder Ort, jeder Weg, jedes Gebäude ist essenziell wichtig für das Gesamtpaket, denn alles ist sinnvoll integriert.
Agent 47 kennt kein Limit
Aber auch spielerisch macht dieser Umstand viel her. Denn Markenzeichen der Serie ist das Verkleiden von Agent 47. Bei Sapienza etwa kann man sich so als Tourist, Wache, Koch, Sport-Trainer, Forscher, Priester, Bodyguard, Fahrradfahrer und viele weitere verkleiden. Die einzelnen Episoden bieten da jeweils wahnsinnig viele Möglichkeiten sich andere Fassaden über zu schweifen. Aber das braucht es auch. Schließlich sollen auch viele Wege nach Rom führen. Ein möglichst perfektes Spiel absolivert man nämlich, indem man nicht erkannt wird, unentdeckt seine Ziele ausschaltet und sonst keinen anderen Mensch Leid zufügt. Liest sich aber leichter als es auch tatsächlich ist. Immerhin kommt es auf hier wirklich auf Taktik und Können an. Anders als andere Schleich-Spiele möchten euch die Entwickler in ein Stealth Erlebnis führen und fokussieren sich auch darauf und verzichten auf jegliche Unterstützung von roher Gewalt um ans Ziel zu kommen. Klar ist das auch möglich, aber es macht nicht wirklich Spaß und führt auch in der Regel nicht zum Ziel.
Zum einen punktet hier das Schleichen an sich. Der Agent mit dem Barcode kann sich hinter fast allen Objekten in Deckung bewegen und schleicht sich per Tastendruck von Deckung zu Deckung Zum anderen ist das Timing enorm wichtig, und das ist eine ganz große Stärke, denn in Hitman muss man sich Zeit nehmen. Man muss beobachten, überlegen, auch mal Risiko eingehen und von Schritt zu Schritt denken. Es ist wichtig die Umgebung zu verinnerlichen und die Aktivitäten der NPC’s zu kennen. So zum Beispiel ob eine bestimmte Figur gelegentlich eine bestimmte Bar aufsucht, Unterhaltungen mit bestimmten Personen führt, oder eine ganz eigene Präferenz hat. Denn es ist durchaus hilfreiche sich mit den Zielen zu beschäftigen. Im Menü etwa finden wir Hintergrund Information über gewisse Personen und dementsprechend können Attentate besser vorbereitet werden.
Das Spiel, das Fans wollten
Und wenn wir schon bei denen sind, die fallen wieder absolut umfangreich und vielseitig aus. Ob es Klassiker wie erwürgen oder vergiften sind, oder ausgefallene Attentate wie etwa das Verpfuschen einer OP, die Manipulation einer elektronischen Anlage oder durch eine kontrollierte Explosion, die Auswahl ist gigantisch. Einsteigern wird es durch die „Gelegenheiten“ etwas vereinfacht. Es gibt nämlich viele vorgegebene Arten, wie man ans Ziel gelangen kann, die durchaus vielschichtig und auch herausfordernd sind, obwohl vorgegeben wird, was als nächstes zu tun ist. Gerade wenn man ein so freies Erlebnis nicht gewohnt ist macht dieses Feature durchaus Sinn. Profis verlassen sich dagegen allein auf ihre eigenen Fähigkeiten und dann wird Hitman richtig schwierig, aber auch umso spannender. Doch selbst mit dieser Erleichterung ist Hitman immer noch nichts für unruhige Hände, denn der Schwierigkeitsgrad befindet sich allgemein auf einem relativ hohen Level, was aber definitiv eine Stärke des Spiels ist, denn er ist immer noch so ausgewogen, dass man selbst beim Scheitern immer noch die Motivation hat, um zum Erfolg zu kommen.
Quelle: Quare Enix/ IO InteractiveAber was ist mit den Punkten die ich noch beim Intro Pack angemerkt habe, etwa mit dem Episoden Format? Wenn man Erstkäufer der Season war, dann hat es sich definitiv gelohnt, das Spiel im episoden Format herauszubringen. Denn man merkt den Episoden einfach an, dass hier wirklich sehr viel Arbeit und Detailreichtum drin steckt. Die Locations, die Charaktere, die Objekte, die Unterhaltungen, alles hat seinen Sinn und wurde intelligent in das Spiel integriert. Daher ist die Zeitspanne zwischen den Episoden auch absolut nachvollziehbar und auch angesichts der enormen Qualität angebracht. Zudem hat man nicht nur einfach eine Location und eine Mission, es gibt zahlreiche weitere Missionen, die wieder komplett anders aufgebaut sind, mit anderen Zielen und Situationen versehen sind, nur eben auf dieser Karte spielen, somit ist es umso besser, dass die Areale sehr üppig ausfallen. Zudem ist der Contract Modus wieder an Board, wo sich Spieler ihr eigenes Szenario zusammenwürfeln können, indem eigene Ziele und Situationen geschaffen werden, damit andere Spieler diese nachspielen können. Für ein schnelles Durchspielen braucht man beim ersten mal vielleicht ein- bis anderthalb Stunden bei einer Episode. Wenn man alle 6 zusammen rechnet braucht man vielleicht 8-9 Stunden für die ganze Season 1. Aber wer nur das macht verpasst das Spiel eigentlich.
Und hier war das Episoden Format nochmal von Vorteil. Hätte ich direkt alle sechs Teile vor mir gehabt, hätte ich eins nach dem anderen runter gespielt. Irgendwann hätte ich es vielleicht ein zweites mal getan. Aber so war es einfach nicht befriedigend genug nur diesen einen Weg gewählt zu haben. Denn wenn man sich zur Überbrückung der Wartezeit wirklich auf das Spiel eingelassen hat, und sämtliche Methoden ausprobiert hat, oder gar die anderen Missionen gespielt hat, dann erst hat man den vollen Spaß mit dem Spiel. Das Episoden Format hat mich erst dazu bewegt das Spiel so zu spielen, wie es wirklich auch gedacht ist und sein Potenzial entfalten kann. Direkt als Ganzes merkt man dem Spiel dennoch seine gestückelte Entwicklung an und vor allem, dass ein anderes Veröffentlichungsmodell dahinter steckt.
Story? Welche Story?
Ein weiterer Punkt der mich im Intro Pack noch gestört hat, war die sehr zurückgezogene Story. Aber von der konnte ich auch in den anderen Episoden nicht viel entdecken. Lediglich in Episode 5 und 6 schneidet man mal ganz kurz interessante Punkte an, aber insgesamt bleibt die Geschichte sehr blass, zurückgezogen und für das Spiel komplett irrelevant. Das neue Hitman spielt man allein wegen des Gameplays, zu keinem Zeitpunkt wegen der Story. Das liegt auch daran, dass lediglich am Ende einer Episode nur ein vielleicht zweiminütiges Video eingespielt wird, dass mir versucht etwas von einer Geschichte zu erzählen. Anhand derer lassen sich aber keine spannenden und interessanten Story Aspekte kreieren. Von mir aus hätte man dann auch die Story komplett weglassen können, vermisst habe ich sie nicht, dagegen stört es eher, dass man dennoch eine halbgare Erzählung rein quetschen wollte.
Am meisten hatte mich damals jedoch gestört, dass man mit dem Online Zwang auch unter stetigen Server Abstürzen zu kämpfen hatte, was mitunter mal frustig war. Seit der zweiten Episode ist mir das allerdings nicht mehr wieder passiert. Immer noch möchte das Spiel immer mit Online Servern verbunden sein, aber einmal drin fliegt man nun endlich nicht mehr raus. Da beinahe jede Konsole durchgehend mit dem Internet verbunden ist, dürfte der Online Zwang im Jahre 2016 ein geringes Problem darstellen. Ansonsten gibt es technisch von mir wenig zu beanstanden. Grafisch wird ein durchweg solides Bild auf den Bildschirm gebracht, hin und wieder hat das Spiel auch optisch kleinere Highlights. Zu erwähnen ist auch auf Konsolen die Option, die Framerate zu wählen, natürlich nicht so frei wie auf dem PC, jedoch kann man die Framerate auf 30 FPS setzen oder aber gleitend einstellen, so dass sie in manchen Szenen auch mal auf 60 FPS springen kann, was im schlechtesten Fall aber zu Mikrorucklern aufgrund der Sprünge führen kann, ich hatte jedoch keine Probleme mit dieser variablen Framerate. Der Sound ist ebenfalls gelungen, die Vertonung ist wirklich gut, aber komplett auf Englisch. Für Englisch Muffel gibt es immerhin deutsche Untertitel.
Fazit
Hitman, dafür steht er mit seinem Namen. Der eiskalte Glatzkopf meuchelt wie in seinen besten Tagen und lässt dabei so viel Spaß aufkommen wie seit Blood Money nicht mehr. Hitman ist ein Spiel für Geduldige, für Taktiker. Andere werden mit dem Spiel sicher nicht warm, aber jene die eine große Location, ein komplexes Attentat System, viele Gameplay Möglichkeiten zum Erreichen des Ziels, sowie für einen gehobenen Schwierigkeitsgrad zu haben sind, werden im neuen Hitman eine kleine Offenbarung finden. Es ist nicht das Spiel, das den Mainstream erreicht, es ist das Spiel, das die Fans wollten. Auch nach wie vor kann ich Kritik am Episoden-Modell verstehen, aber die, die von Anfang an dabei waren dürften es zu keiner Sekunde bereut haben, wenn sie sich auf das Erkunden der Möglichkeiten und verschiedenen Missionen eingelassen haben, und das ist es auch was Hitman so großartig macht. Danke IO Interactive, ich freue mich auf Season 2!