Die Formel 1 bot in den letzten Jahren einen recht einseitigen Wettstreit bei den Meisterschaften, die enorme Dominanz von Mercedes nagt an der Spannung. Zum Glück schickt uns Codemasters jährlich in die virtuellen Boliden, um spannendere Sessions abzuliefern. Ob das auch dieses Jahr gelingt, oder ob wir Stagnation, wie im Falle der Siegesserie der Silberpfeile erleben werden, das klären wir im Test!
Der kleine Bruder
Groß angekündigt wurde dieses Jahr die Implementierung der Formel 2, diese wurde sogar in den Karrieremodus integriert. Dieser bildet erneut das Herzstück des Spiels. Doch dieses mal steigt man nicht direkt als Rookie in einen Formel 1 Boliden, denn zunächst muss man sich in der Formel 2 beweisen. Dort begleitet euch euer Team-Kollege Lukas Weber und euer Rivale Devon Butler. Letzterer will sich den Saisonsieg auch mit weniger fairen Mitteln ergattern. In den Cutscenes vermittelt er klar den Eindruck des Bösewichts. Demütigend und Herablassend präsentiert er sich hier, sehr klischeehaft und leider ein Charakter ohne Tiefe, genau wie unser verständnisvoller Team-Kollege.
Die F2 Boliden fahren sich tatsächlich etwas anders als die Fahrzeuge der Königsklasse und auch der Sound wurde angepasst. Leider spielt man hier nur drei Events, die mit einigen Zwischensequenzen unterlegt sind. Danach landet man schon in der Formel 1. Schade, ich hätte mir gewünscht, dass man auch wahlweise eine richtige F2 Saison spielen kann, und dass der Aufstieg nur bei entsprechenden Leistungen gelingt. So fühlt sich die F2 nur als Tutorial an, immerhin kann man aber abseits des Karrieremodus in der Formel 2 einen Grand Prix nachspielen.
In der Formel 1 angekommen ist dann der letzte Hauch von Story schnell verflogen, an dann bekommt man Äußerungen der anderen Fahrer nur per Interviewauszügen mit, die man via Email erhält. Ab hier spielt sich der Karrieremodus wie im Vorgänger. Man fährt im Training verschiedene Sessions mit Herausforderungen, die einem Punkte erbringen. Von denen kann man sich im Skillbaum Upgrades für das Auto kaufen, glücklicherweise ohne Mikrotransaktionen. Ein besseres Auto verhilft zu besseren Zeiten beim Qualifying und zu besseren Bedingungen beim Rennen.
Meisterliches Renngefühl
Auf der Strecke läuft das Spiel dann wieder zur Höchstform auf. Das Fahrverhalten ist ähnlich zum Vorgänger, das ist hier aber als Lob zu verstehen. Ein bisschen realistischer verhalten sich die Fahrzeuge dann aber doch, was mir in den Kurven aufgefallen ist. Gerade die Cockpit-Perspektive ist ein wahrer Genuss und besticht mit einem guten Feeling. Die Mittelstrebe des Halo-Schutzes nervt auch dieses Jahr, lässt sich aber erneut ausschalten. Steuert man den Rennwagen aus der Verfolgerperspektive, dann fehlt ganz klar das Geschwindigkeitsgefühl, weshalb sich die Rennen dann sehr lasch anfühlen.
Wie realistisch es dann auf der Strecke werden soll, das lässt sich gewohnt individuell einstellen. Jegliche Hilfen wie Bremsassistent und Ideallinie, sowie die Gegner-KI und die Anwesenheit des Safety-Cars komplettieren ein tolles Rennerlebnis. Zudem ist wieder dynamisches Wetter an Board, was auch für eine Prise Taktik sorgt. Diese richtet sich auch nach den neuen Regularien, so etwa den neuen alten Reifenmischungen, die zur Verfügung stehen. Die anderen sind im Kampf um die vorderen Plätze fordernd, lassen sich jedoch immer mal wieder zu haarsträubenden Manövern hinreißen, die nicht immer regelkonform bestraft werden, das wurde nämlich leider auch aus dem Vorgänger übernommen. Insgesamt bieten die Fahrten aber gewohnt tolle Fahr-Action und eine nachvollziehbare Physik, die für eine Menge Spaß auf der Piste sorgen.
Nach dem Rennen geht es zu den Journalisten, auch das ist bekannt. Was positiv auffällt, ist dass die Fragen sich aber etwas näher an den Rennen orientieren. Gleich beim ersten Grand Prix in Australien streifte ich mehrmals eine Planke nach einer engen S-Kurve, darauf sprach mich die Moderatorin im Interview an und fragte mich wieso es dazu gekommen ist. Das ist jedenfalls der richtige Weg und noch mehr solcher Fragen würden die Interviews noch etwas interessanter gestalten. Doch nach einiger Zeit wiederholen sich natürlich die Fragen, der Umfang an Fragen ist gefühlt jedoch gewachsen.
Einen großen Einfluss haben die Antworten dann aber doch nicht, je nachdem zeichnet sich unser Fahrer in der Öffentlichkeit als eine faire oder selbstdarstellende Person ab. Lediglich wenn wir die verschiedenen Entwicklungsabteilungen loben oder kritisieren verändert es deren Moral, eine heftig kritisierte Abteilung neigt etwa zu Fehlern beim Durchführen von Upgrades.
Neben den normalen Rennveranstaltungen gibt es auch wieder spezielle Events, bei denen man in historische Formel 1 Boliden steigen kann, um verschiedene Herausforderungen zu meistern. Das sorgt für Ansehen, Credits und für Spaß, denn langjährige Fans können so nochmal das Design, Fahrgefühl und den Sound der damaligen Autos nachempfinden. Nostalgie pur!
Somit führt der Karrieremodus eigentlich nahezu alles fort, was man aus dem Vorgänger bereits kennt. Eine wichtige Neuerung für mich war jedoch, dass die konkurrierenden Fahrer nun auch nach der Saison gegebenenfalls das Team wechseln, das kommt der Authentizität unheimlich zugute und macht auch die Saisons nach einigen Jahren etwas nahbarer.
Alleine fahren war gestern
Wer den Karrieremodus irgendwann rauf und runter gespielt hat, der kann noch den Multiplayer für sich entdecken. Dort können etwa eigene Ligen erstellt werden, oder man tritt einfach einer vorhandenen Liga bei. Deren Admin kann die Regeln für die Events festlegen, sogar eigene Lackierungen können im Multiplayer für die Autos erstellt werden, der Editor hätte aber gern noch umfangreicher ausfallen dürfen. Per Voting System können ebenfalls Änderungen an den Regeln vorgenommen werden, sogar Spieler können bei übereinstimmender Meinung aus einer Liga gekickt werden.
Optimiert wurde zudem das Matchmaking, denn Spieler werden nun nach zwei Kriterien geranked. Zum einen gilt das fahrerische Können, zum anderen die Fahrweise, die fair und sauber oder auch chaotisch und unsportlich sein kann.
Ob Grand Prix oder klassischen Grand Prix, Training, Qualifying. F1 2019 bietet im Multiplayer ein sattes Paket. Couch Freunde müssen leider ohne Splitscreen-Modus auskommen. Xbox Spieler trifft es noch ein bisschen schlimmer, denn die müssen im Gegensatz zu den PS4 Spielern noch auf den LAN Modus verzichten. Codemasters hat die bisher auch noch nicht öffentlich begründen können.
Der grundsätzlich aber stagnierende Eindruck macht auch vor der Grafik nicht Halt. Die Optik geht nahezu unverändert in die neue Saison. Sichtlich verbessert hat sich hingegen die Beleuchtung, die nicht nur bei Nachtfahrten positiv heraussticht. Auch am Tage sind mir Lichtspiegelungen aufgefallen, die es so in der 2018er Variante nicht gab. In der TV-Kamera Ansicht sieht man die Reflektionen der Sonne beim Halo Schutz. Die Autos sehen weiterhin klasse aus, ebenso wie die Pisten an sich.
Verbesserungsbedarf gibt es hingegen nach wie vor bei der Umgebung, hier schwankt das Niveau sehr stark. Mal bekomme ich detaillierte Umgebung mit schöner Vegetation geboten, und mal wirken die Texturen detailarm oder gar matschig. Beim Sound fällt das Fazit deutlich besser aus, da gibt es nämlich kaum Anlass zur Kritik, die Autos hören sich toll an und glücklicherweise fällt der Sound bei den verschiedenen Modellen sehr divers aus, gerade bei den klassischen Wagen. Lediglich die Kommentatoren hören sich zu sehr danach an, dass sie ihre Texte ablesen, das geht besser.
Fazit
Trotz der Integration der Formel 2 entwickelt sich die Reihe auch in diesem Jahr kaum voran, zu sparsam wurde die F2 Serie in den Karrieremodus untergebracht, der ohne große Innovationen daherkommt. Da wäre mehr drin gewesen. Somit ist die 2019er Ausgabe wie der Vorgänger, nur hier und da etwas besser, daher bekommt man auch das bisher beste Formel 1 Spiel geboten. Denn grobe Schnitzer erlaubt man sich hier nicht, und obwohl es sich hier um ein erstklassiges Rennspiel handelt, so richtig euphorisch bin ich aufgrund der inhaltlichen und technischen Stagnation nicht. Als Formel 1 Fan ist der diesjährige Ableger jedoch trotzdem ein absoluter Pflichtkauf, nur erhoffe ich mir bald wieder etwas größere Schritte nach vorne.