Kommentar: Games via Stream zocken – 5 Gründe warum mich die Google-Konferenz trotzdem enttäuscht hat

Google Stadia

Quelle: Google

Irgendwie wusste man ja, was Google ankündigen wurde, und trotzdem war es ungewiss. Keine Discs, keine Downloads, Gaming via Streaming? Kann das die Zukunft sein? Stadia nennt sich Google’s neue Streaming Plattform. Neue Namen sind immer etwas gewöhnungsbedürftig, Stadia scheint dennoch sehr ungewöhnlich. Google verspricht einen schnellen Einstieg, so ist es beispielsweise möglich, auf dem Youtube Kanal eines Publishers ein Video zu einem Spiel zu schauen, im Anschluss an das Video kann man jenes Spiel direkt starten.

Auch in das Spiel von streamenden Spielern soll man direkt einsteigen können, da in der Cloud von Google ein zweiter „unsichtbarer“ Stream läuft, den man quasi als Savegame sehen kann und Freunden oder Zuschauern direkten Zugriff erlauben kann.  Praktisch: Auf welchem Gerät man spielen möchte, spielt keine Rolle. Ob Handy, Budget Laptop, TV, PC, Tablet, Google’s Streaming Portal funktioniert überall, weil die Funktionalität nicht mehr von Hardware Power abhängig ist.

Ein Spiel wird auf einem PC mit einer GTX 2080 also nicht schneller laufen als mit einer GTX 960. Dank Google’s Infrastruktur verspricht man 4K Gaming bei 60fps, sogar 8K solle in Zukunft kein Problem sein. Wer zudem das laufende Spiel weiter im Bett auf seinem Tablet spielen möchte kann dies ohne Verzögerung, sofern mit seinem Google Konto verknüpft ist jedes Gerät sofort einsatzbereit, ohne Installation, ohne Downloads.

Google Stadia

Quelle: Google

Des Weiteren wird KI eine immense Rolle spielen. So können Entwickler mithilfe der KI ganze Art Styles von Fotos übertragen und somit effektiver arbeiten. Auch Google Assistant hält Einzug, per Knopfdruck kann der Assistent etwa Videos vorschlagen, die das Weiterkommen in einem Level zeigen, welches man gerade spielt. Das sind logische und sinnvolle Features. 

Jetzt mag man sich doch fragen, warum eine solche Überschrift bei so spannenden Features. Aber Google’s Konferenz hatte auch deutliche Schattenseiten:

 

1. Welcher Streamer will das?

Immer wieder sprach Google von Streamern, von Content Creaters. Youtube beherberge viel Gameplay, ob Livestream oder in Form von Videos. Einen Punkt den man in Bezug auf Stadia hervorhob, war der scheinbar barrierefreie Einstieg. Am Beispiel von NBA etwa verdeutlichte man, dass ein Streamer, der ein Online Match sucht, auch einfach einen aus der Community nach Anfrage als Gegner/ Mitspieler wählen kann. So weit so gut, aber wie sieht die Realität aus. Wenn wir über Spiele reden, die viel gestreamt werden, dann fallen natürlich Namen wie Fortnite, Apex, League of Legends oder PUBG.  Ohne solche Spiele wäre das Thema deutlich kleiner.

Wenn ich also einen Stream mit 3.000 Leuten habe, was verhältnismäßig nicht mal gigantisch viel ist, wie soll dieses Feature dann Sinn machen, wenn die meisten Zuschauer dann in einer endlosen Warteschlange anstehen. Und wer seinen Freund oder einen sonstigen Mitspieler in eine Lobby einladen will, der kann das bereits seit PS3 und Xbox 360. Somit erschließt sich mir für die Streaming Gemeinde nicht, denn am Ende werden mehr vernachlässigt, als es Profiteure gibt. Außerdem schwieg Google zu der Latenz. Statt der Welt zu zeigen, was Stadia kann, muss man nun hoffen, dass die Latenz nicht den Spielspaß killt. Passieren in schnellen Spielen, wie Shootern, die Eingaben nicht genau dann, wann ich sie getätigt habe, führt das zu Frustration. Das könnte ein K.O. Kriterium werden.

 

2. Preise? Werbung? Ja was denn nun?

Kein Wort verlor man über das Business Modell. Wie verdient Google sein Geld damit? Was muss der Spieler zahlen? Muss er überhaupt was zahlen? Keine Ahnung, Google schwieg dazu. Das ist sehr heikel, wenn man bedenkt, dass das Projekt noch dieses Jahr an den Start gehen soll. Muss ich ein Spiel kaufen um es in Stadia streamen zu können? Zumindest ließ der Ubisoft CEO Guillemot etwas verlauten, dass nämlich Spiele normal käuflich seien, daneben werde es aber auch weitere Möglichkeiten geben. Nun, gehen wir mal von der Kauf-Variante aus. Ich kaufe mir aktuell ein Spiel, installiere es, und spiele es, kann es im Retail Bereich auch irgendwann wieder verkaufen.

Google Stadia

Quelle: Google

Im Falle von Stadia kauf ich ein Spiel, und bin dann darauf angewiesen, dass mein Internet immer mitmacht. Gerade aus deutscher Sicht eine sehr zuversichtliche Prognose. Während ich bisher Spiele immer noch Offline oder bei schlechter Verbindung spielen kann, bin ich bei Stadia auf eine gute Verbindung angewiesen. Ich lege die Abhängigkeit in Google’s Hände. Das ist eher ein Rückschritt, es sei denn Google würde die Spiele zu attraktiven Preisen anbieten, aber günstiger als Steam? Daran glaube ich kaum. Auch eine Variante steht im Raum, bei der ich das Spiel für einen gewissen Zeitraum leihe. Das mag zumindest zum anspielen eine interessante Möglichkeit sein, aber nicht wenn man ein Spiel über einen längeren Zeitraum spielen möchte, das wäre ein Fass ohne Boden. Außerdem ist das Microsoft mit dem Game Pass viel weiter, da kann ich auch für einen schmalen Taler gleich eine ganze Bibliothek von Spielen leihen.

Zuletzt gibt es noch das kostenlose Szenario. Jedes Spiel zocken, ohne zahlen zu müssen, klingt ja eigentlich perfekt. Doch dann müssten diese Spiele über Werbung finanziert werden, sprich, wie bei Handyspielen würden Werbebanner aufploppen und das Erlebnis stören. Das wäre etwa bei Online Spielen wie Counterstrike in manch einer Situation sicherlich der Nervenkiller überhaupt. Zudem wären solche Spiele schlecht skalierbar. Wie viel Werbung muss ich schalten, um den Vollpreis raus zu holen, und wie kann ich diese implementieren, ohne dass alle schreiend wegrennen. Zudem würde der Braten verdächtig nach noch mehr Micro-Transactions riechen. So oder so, das Finanzierungsmodell für Stadia könnte entscheidend sein, optimal scheint keines dieser Szenarien.

3. Datenvolumenkiller

Games überall mitnehmen. Nein, ich meine nicht die Switch, denn Stadia verspricht das auch. Egal welches Gerät, mein Spielstand ist überall und egal welche Technik verbaut ist, High End Grafik ist immer möglich. Nun, was in der Theorie genial klingt, dürfte in der Praxis ein Flop werden. Denn wenn ich ein High End Game in Full HD oder 2K auf mein Smartphone via Mobile Daten streame, dann kann ich meinem Datenvolumen beim Sinken sicher zugucken. Ohne preiswerte Flats mit unendlich Datenvolumen, macht dieses Feature keinen Sinn.

In Deutschland sowieso nicht, aber selbst im Ausland ist unbegrenztes Datenvolumen nicht zu Discounterpreisen erhältlich. Zudem müsste man immer den Google Stadia Controller mit sich führen, das viel größere Problem ist aber, dass der Akku bei der ganzen Show im Rekordtempo sinken dürfte. Entspannte Sessions in der Bahn sind so eher unwahrscheinlich. Die Switch ist anhand das viel praktischere Projekt. Zudem hat Google bis auf AC: Odyssey in keiner Tech-Demo auch nur ansatzweise bessere Grafik gezeigt, als es die heutigen Konsolen nicht schon längst könnten.

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4. Spiele? Welche Spiele?

Alles soll auf Stadia spielbar sein, zumindest sagt Google das. Was ich auf der Konferenz gesehen habe, war lediglich Ubisoft’s Assassin’s Creed Odyssey. Ansonsten waren nur eine Hand voll kleinerer Entwickler auf der Bühne, ohne aber irgendwas handfestes zu zeigen. Auffällig war weiterhin die Vehemenz, mit der Google die Partnerschaft mit Ubisoft unterstrich. Ich glaube einfach, es gibt aktuell überhaupt nichts was Google uns zeigen könnte. Denn die Spiele müssten erst für den Streaming Dienst angepasst werden, aber lohnt sich das für die Entwickler? Das scheint ein großer Knackpunkt zu sein.

Zumindest aktuell vermute ich ein eher dünnes Spieleangebot, sonst hätte man den Aktionären irgendwelche Namen genannt. Aber mit dem letztjährigen Assassin’s Creed wird man dann Ende 2019 auch keinen Spieler mehr hervor locken. Neben den First-Party Spielen, von welchen man noch nichts gesehen hat, kommt es hier absolut auf die Dritthersteller an.

 

5. Alleingelassen

Ich konnte also sehen, wie jemand von Youtube aus ein Spiel startete. Aber seien wir mal ehrlich, das macht man bei einer Neuerscheinung, und dann nicht mehr. Im Normalfall wählt man auf seiner Plattform doch aus seiner Bibliothek das Spiel aus, welches man spielen möchte und legt los, schaut vielleicht vorher nochmal wer on ist und wer was macht. Und wie löst das Stadia? Auch hier: Keine Ahnung?! Ich habe kein Interface, kein Dashboard, keine Freundesliste, keine Bibliothek, keinen Activity-Feed, keine Party-Funktion oder gar Erfolge gesehen.

Der Community Aspekt war quasi nicht vorhanden, er wurde nicht mal erklärt, gezeigt oder erwähnt. Lediglich die Streamer und Zuschauer wurden immer wieder erwähnt, es wurde betont, wie sehr man hier Grenzen verschmelzen lassen wolle. Und der 08/15 Gamer kommt hier nicht einmal mehr vor, obwohl das doch die größte Zielgruppe ist. Selbst wenn es diese Features geben sollte, warum man die Nutzer da so im Dunkeln lässt, ist mir schleierhaft.

Google Stadia Logo

Quelle: Google

Die Ankündigung von Stadia war in meinen Auge nicht das, was man daraus hätte machen können. Nach aktueller Faktenlage erhält man einen Streaming Dienst, der für den Nutzer zu wenig Neues bietet, um sich von schon vorhandenen Playern zu unterscheiden. Die Versprechungen klingen bis dato alle cool, aber machen wir uns nichts vor 4K bei 60 Frames per Second klingt aus deutscher Sicht eher wie Utopie. Selbst als Gesamtes betrachtet gibt es noch zu viele Ungereimtheiten und noch viel zu viele offene Fragen.

Das, was Google mit Stadia aktuell kann, können Sony und Microsoft auch, da wette ich drauf. Nur haben die die Spiele, das Interface und die Community. Und die werden sich ganz genau angeguckt haben, was bei Google gelungen ist und was nicht. Zudem wird der Stadia Hype abflachen, die E3 ist kurz vor Sommerbeginn und angeblich plane Sony ein Event für den Herbst, welches die PS5 enthüllen könnte. Wo bleibt da zeitlicher Spielraum für Stadia um einen Hype aufzubauen.

Aktuell halte ich Stadia für zu ambitioniert und läuft Gefahr sich in die Reihe gescheiterter Google Visionen zu stellen, wo es neben Google +, Hangout, Alo und Youtube Gaming in guter Gesellschaft wäre. Doch dafür ist Stadia eigentlich zu spannend. Der Kampf um die Zukunft ist damit also eingeleitet, und der Teilnehmer, der jetzt am Meisten liefern muss, heißt ausgerechnet Google.

 

 

Bildquelle: Google

The Guy who loves Videogames

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