Unravel im Test – Eine Reise durch Schweden

Auf der E3 2015 wurde Unravel von EA angekündigt und fand sofort einige Fans. Wieso auch nicht, wenn das kleine Wollmännchen Yarny so liebenswert aussieht. Ich habe mich allerdings schnell gefragt, ob da mehr als eine nette Erzählung dahintersteckt. Dieser Frage widme ich mich jetzt auch in diesem Test.

Eine ganz eigene Sprache

Quelle: EA

Eine alte Frau in Schweden hat Freude am Stricken, viel anderes scheint ihr auch nicht gebliben zu sein. Irgendwann passiert allerdings etwas unerwartetes, denn das rote Wollmännchen Yarny erwacht zum Leben und will der Frau zeigen, dass diese ein erfülltes Leben hatte. Dies funktioniert mithilfe von elf Bildern, die sich im Haus der alten Frau befinden. Yarny hüpft in jedes davon hinein und sammelt Erinnerungen, welche daraufhin in Form von Fotos zusammen mit roten Wollfiguren in ein Album geklebt werden. Hinzu kommt noch eine Textseite, welche mit mal mehr mal weniger tiefsinnigen Sätzen gefüllt wird. Diese sind allerdings in Verbindung mit dem Spiel sehr stimmig.

Während der gesamten Reise wird kein Wort gesprochen, die Emotionen werden durch die schöne Aufmachung und Yarnys Verhalten allerdings sehr gut zur Geltung gebracht.  Wenn das kleine Wollmännchen voll Freude durch den Schnee turnt oder so manch schönen Ort bewundert, hat das einen direkten Einfluss auf die eigene Stimmung, denn gerade in den späteren Abschnitten des Spiels wendet sich das Blatt sehr und Yarny wirkt zum Beispiel ängstlich oder friert im kalten Regen. So befindet man sich in den Anfängen des Spieles in einem Garten oder am Meer, während später hingegen die Themen Tod und Vergänglichkeit eine zunehmende Rolle spielen, wenn man zum Beispiel durch Umweltverschmutzung entstandene ätzende Tümpel sieht. Man selbst fühlt mit dem kleinen roten Männchen einfach mit, was wohl auch der entscheidende Punkt der gesamten Narrative dieses Spieles ist. Mit ihm zusammen erkundet man die Welt, sowohl die schönen als auch die nicht so schönen Plätze und wird dabei immer von dem Design verzaubert.

Quelle: EA

Man kann es nicht abstreiten, dass Unravel fantastisch aussieht. Würde ich nun wahllos Bilder von inmitten des Spieles nehmen, würden sie alle fantastisch aussehen und ihre ganz eigene Stimmung transportieren. Der Grund dafür ist nicht zuletzt die Detailverliebtheit, die die Entwickler an den Tag legen. Wo man auch hinsieht, überall bewegt sich etwas im Wind oder sieht einfach so plastisch aus, als wäre es tatsächlich echt, wenn man dann noch die Lichteffekte und sogar die Staubpartikel in der Luft beachtet, so wird man mit Sicherheit ziemlich beeindruckt sein. Auch wenn es sich bei Unravel um ein 2D-Spiel handelt, hat man keineswegs die Idee, dass es sich auch um eine 2D-Welt handelt, denn die Wellen am Meer, die Spuren im Schnee und die ganzen Tiere sind so schön gestaltet, dass man oftmals denkt, man könne sie Anfassen. Ich zähle Unravel daher auch guten Gewissens zu einem der schönsten Spiele aktuell. Allerdings dürfen PC-Spieler nicht auf ein extrem Umfangreiches Grafik-Menü hoffen, denn die Einstellungen sind eher rudimentär: Tiefenunschärfe, Anti Aliasing, Vertical Sync und Texturqualität sind die einzigen anpassbaren Einstellungen.

Doch man wird nicht nur Grafisch gut bedient, denn auch musikalisch hat Unravel einiges zu bieten. Egal in welcher Stimmung sich Yarny gerade befindet, die Musik trifft es punktgenau und untermalt die gesamte Szenerie sehr treffend.

Fäden als Werkzeug

Quelle: EA

Die Spielmechanik hingegen kann keinesfalls mit der Atmosphäre und dem Design mithalten. Die Aufgabe in dem Spiel ist denkbar einfach: komme von A nach B. Natürlich kommt es immer darauf an, was man zwischen Start und Ziel einbaut, aber 2D-Spiele haben nun einmal kein allzu großes Portfolio an möglichen Spielelementen. In Unravel besteht die Herausforderung darin, auf dem Weg mehrere Physikrätsel zu lösen und Geschicklichkeit zu beweisen, dabei wird die rote Wolle aus der Yarny besteht zum wichtigsten Werkzeug. Die Möglichkeiten, etwas mit dem Faden anzustellen, sind natürlich begrenzt, wodurch sich die schnell erlernten Praktiken immer wiederholen. Hier muss man eine Brücke knoten, dort den Faden als Trampolin nutzen und zwischendurch kommt er immer wieder als Lasso oder Kletterhilfe zum Einsatz. Wann man was mit dem Faden tun muss, erschließt sich in der Regel sehr schnell, die Herausforderung hier besteht eher darin, mit dem Fasen hauszuhalten –  schließlich hat man nicht unendlich viel davon. Geht dieser Faden einmal aus, so kommt man nicht weiter und muss nach einem Ort suchen, an dem man ihn wieder auffüllen kann.

Es werden in jedem Level allerdings auch mehrere etwas kniffligere Rätsel eingebaut. Diese bestehen zum Beispiel darin, eine Krabbe in einem Käfig zu fangen, wo man am Anfang eventuell doch kurz überlegt. Allerdings werden die Rätsel nie wirklich schwer. Im Gegensatz zu anderen Spielen werden diese mit zunehmenden Fortschritt auch nicht wirklich schwerer, da sich die Muster eben wiederholen und dadurch leicht durchschaubar sind. In der Regel reicht es, sich die Umgebung aufmerksam anzusehen und dann zum Beispiel einen Tannenzapfen hin und her zu rollen oder den Faden hier und da zu befestigen.  Das soll jetzt jedoch nicht so wirken, als wäre es träge und langweilig. Auch wenn es sich wiederholt sind es gerade die ganzen Kleinigkeiten und auflockernde Elemente, die das Spiel trotzdem spannend halten. Außerdem sollte man in den Levels nicht zu unachtsam werden, denn entgegen meiner Erwartung lauert überall der Tod für das kleine rote Wollmännchen. Ist man bei den Rätseln oder Sprungpassagen einmal unachtsam, so ertrinkt Yarny auch mal oder wird zerquetscht. Leider passiert so etwas zu Beginn auch durch die nicht ganz optimale Tastatursteuerung im Bezug auf Yarnys Sprungverhalten. Man gewöhnt sich allerdings auch daran, obwohl mir das Gamepad am Ende doch lieber war. Man will doch schließlich nicht, dass dem kleinen Männchen etwas passiert.

Quelle: EA

Man muss dem allerdings hinzufügen, dass Unravel quasi keinen Wiederspielwert besitzt. Hat man einmal das Abenteuer beendet, so kann man höchstens noch versuchen, die fünf in jedem Level versteckten Knöpfe (Sammelgegenstände)  zu finden, dann war’s das aber auch.

Fazit

Mich hat Unravel schon früh durch die schöne Narrative und das exzellente Design für sich gewinnen können. Bereits in den ersten Levels gab es Momente, in denen ich einfach erstaunt von dem Design war. Gegen Ende kamen diese Momente auch, aber in anderer Form, da dort alles gefährlicher und düsterer wirkt. Ich kann es nur noch einmal betonen, Grafisch und Atmosphärisch hat mich Unravel komplett überzeugt. Besonders der hohe Detailgrad bereitet mit dabei Freude. Natürlich könnte ich jetzt Abzüge in der Spielmechanik erteilen, muss allerdings wiederholen, dass 2D-Spiele nun einmal nur begrenzte Möglichkeiten besitzen, welche Unravel trotzdem gekonnt einsetzt. Dass sich die Rätselmuster recht schnell wiederholen, finde ich allerdings etwas schade, da man diese dann auch oft zu schnell lösen kann. Trotzdem kann ich eine Kaufempfehlung für Unravel aussprechen und guten Gewissens sagen, dass für viele diese 8-9 Spielstunden eine besondere Erfahrung werden können.

Good

  • Tolle Grafik
  • Sehr detailreich
  • Frische Spielweise

Bad

  • Vorgehensweise repetitiv
  • Kein Wiederspielwert
8.9

Toll

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