Große Erwartungen trägt Titan Souls mit sich. Doch was genau ist das Spiel eigentlich? Ein weiteres Spiel in Pixeloptik aus dem Indie-Universum mit dem Fokus auf spielerischer Stärke? Der Test klärt auf, was euch hier erwartet und warum es ein Shadow of the Colossus im Retro Stil geworden ist.
Wo bin ich denn hier gelandet?
Da ist er nun, unser Charakter. Ein kleines Pixelmännchen, bewaffnet mit einem Pfeil. Das ist die Ausstattung und gleichzeitig auch das einzige, was wir im gesamten Spielverlauft an Equipment oder Fähigkeiten besitzen.
Aber nun ja, fangen wir von vorn an. Wir befinden uns auf einer kleinen Oberwelt, sie ist übersichtlich gehalten, erweckt den Eindruck einer alten Tempelanlage. Uns wird kurz erklärt wie wir uns im Spiel behaupten können. Mit Drücken der X-Taste feuern wir den Pfeil ab, allerdings bleibt der Pfeil dann auch liegen. Entweder wir sammeln ihn wieder auf, oder halten X gedrückt um ihn quasi zu uns zu holen. Und auch wenn ich die PC-Version gespielt habe, das Spiel empfiehlt dringendst ein Pad zu nutzen, die Steuerung mit Tastatur sei nicht auf das Spiel ausgelegt. Deswegen beschreibe ich hier die Steuerung mit dem Xbox 360 Pad für Windows.
Titan Souls schickt uns auch durch feurige HöhlenQuelle: Devolver Digital
Es gibt aber einige vermeintliche Höhlen in der Oberwelt. Betritt man eine solche findet man sich in einem Raum wieder, in dem dann ein Boss-Kampf wartet. Und das ist im Prinzip auch der Ablauf von Titan Souls. In der Oberwelt werdet ihr vergeblich nach „normalen“ Gegnern suchen, ihr werdet keine finden. Stattdessen gibt es, und da wären wir wieder bei Shadow of the Colossus, einige Boss-Gegner, die ihr bezwingen müsst. Und da wären wir auch beim wahren Spiel angekommen.
Eine Welt voller Titanen
Das was den Reiz des Spiels ausmacht sind die Kämpfe gegen die Bosse. Und die haben es faustdick hinter den Ohren. Jeder der Titanen hat eine Schwachstelle, die ist meistens auch recht deutlich ersichtlich. Der Kniff ist, wie man allerdings einen Pfeil in die entsprechende Stelle feuert. Wir erinnern uns, die einzigen Mittel sind Ausweichen und unser kleiner Pfeil, und die Gegner üben oft verheerende Angriffe aus und lassen nur selten zu, dass sie ihre Schwachstelle auch offen legen. Somit ist Timing das Wichtigste um diese zu bezwingen. Ein Schuss auf die Schwachstelle genügt aber um den Gegner auszuschalten.
Die Gestaltung der Bosse ist mitunter sehr skurrilQuelle: Devolver Digital
Bei der Darstellung der Bosse lassen die Entwickler aber ihrer Fantasie freien Lauf, auch was deren Schwachstellen und Angriffe betrifft. Begegnet man anfangs einer Schleimkugel, die im Raum umherspringt und getroffen werden muss, wenn sie gerade den Boden berührt, so trifft man später auf ganz andere Gesellen. Sehr interessant war auch eine Feuerkugel, die kleinere Feuerkugeln spuckte und zwischendurch Bombensteine ausspuckte. Der Clou hier war (Achtung Spoiler!) einen Pfeil in die Feuerkugel zu jagen, zu warten bis sie die Bombe ausspie, dann wieder X gedrückt zu halten, um den in der Feuerkugel befindlichen Pfeil zu sich zu holen, wodurch sich der ganze Boss bewegt, dieser soll dann an der Bombe explodieren, damit die Schwachstelle freigelegt wird. Und selbst da bleiben euch nur wenige Sekunden, um diese zu erwischen. Das ist einfach herrlich innovativ und extrem fordernd. Ihr werdet einige Male ins Gras beißen und die Entwickler besitzen den Sarkasmus auch noch einen Todeszähler zu integrieren. Meiner stand ca. bei 160 als ich das Spiel beendet habe. Wer also nach Dark Souls, Bloodborne und Ori & The Blind Forest ein weiteres Spiel zum Haare raufen benötigt, wird hier sicher seinen „Frieden“ finden.
Nicht einfach nur Retro
Zugegeben, die Retro/ Pixelgrafik ist bei Indiespielen schon beinahe Routine geworden. Und doch hatte ich in Titan Souls eine große Freude an ihr. Der Retro-Stil sieht trotzdem wieder toll aus, die Farben sind schön kraftvoll. Bei den Bossen weicht man jedoch hin und wieder zu einer weicheren und modellierteren Grafikstil aus. Aber das ist gar nicht so verkehrt, denn dadurch haben die Titanen einen deutlich flüssigeren Ablauf. Die Animationen der Riesen sind geschmeidiger und vielseitiger, als es die Pixel Optik hergeben würde.
Titan Souls bedient sich nicht nur des Retro-StilsQuelle: Devolver Digital
Die Umgebungen sind zudem vielseitig. Ob Wälder, Eislandschaften oder Magmahöhlen. Titan Souls greift einmal die Reihe der Elemente ab und überträgt sie sinnvoll auf ihre Bosse. Zudem bekommt man auch was fürs Ohr. Möchte man doch meinen, dass hier 8bit Musik das Ohr begeistert, aber leider falsch geraten. Titan Souls ist erstaunlich orchestral untermalt. Das schafft mehr Bindung zu Spielwelt und hat bei den Bossen auch den gewissen Hauch von Epik.
Darf’s auch etwas mehr sein?
Aber leider ist Titan Souls insgesamt einfach zu wenig. Nach knapp drei Stunden habe ich den Abspann gesehen, denn länger wird man nicht beschäftigt sein. In dieser Zeit hatte ich dennoch viel Spaß mit den Titanen, aber der Erkundungswert ist doch relativ gering. Die Oberwelt bietet euch zu wenig, hier hätte einige kleinere Gegner sicher auch zumindest etwas mehr Tiefe eingebracht. Auch bleibt das Spiel fernab jeglicher sonstiger Rätsel in der Oberwelt. Das Spiel beschränkt sich auf die Boss-Kämpfe.
Die Titanen haben es faustdick hinter den OhrenQuelle: Devolver Digital
Und wenn man schon bei der Linie bleiben möchte nur die Titanen als Gegner zu implementieren, dann hätten es mehr sein müssen und auch weitere Fähigkeiten für den Charakter wären dann sicher klug gewesen.
In dem Umfang wie sich aber Titan Souls gibt kommt zu keiner Zeit Langeweile auf. Die Titanen wissen zu beschäftigen, und auch wenn man nur diesen Pfeil besitzt, die Entwickler wissen viel mit ihm anzufangen. Einmal durchgespielt lohnt es sich nicht mehr so wirklich das Spiel nochmals zu erleben. Man weiß wie man die Gegner zu besiegen hat und wenn man das weiß, sie die Ungetüme auch binnen einiger Sekunden nieder zu strecken, was beim ersten Durchspielen jedoch beinahe unmöglich ist.
Etwas anderes als Boss-Kämpfe bietet das Spiel leider nichtQuelle: Devolver Digital
Dem einen oder anderen wird sicher aufgefallen sein, dass ich bisher noch nichts zur Story des Spiels verloren habe. Das liegt allerdings daran, dass ich vor Start des Spiels genauso schlau darüber bin, was mir hier erzählt werden so, wie nach Ende des Spiels. Warum die Figur in dieser Welt ist, warum die Titanen da sind, was das überhaupt für eine Welt ist? Das alles lässt das Spiel unbeantwortet. Stellenweise erkennt man minimale Ansätze dass man etwas erzählen wollte, aber falls das der Fall ist, dann wurde das allerdings nur mangelhaft umgesetzt. Wer eine komplexe Geschichte erleben will, wird diese hier definitiv nicht finden. Angesichts des geringen Umfangs wirkte sich die kaum vorhandene Story aber auch nicht negativ auf mein Spielerlebnis aus.
Fazit
Titan Souls, das Shadow of the Colossus im Retro Stil. Technisch überzeugen der Stil und die Musik, spielerisch machen die Kämpfe gegen die großen Ungeheuer einen unheimlichen Spaß und sind immens fordernd. Fast schon unheimlich wie viel Innovation hier drin steckt, trotz sage und schreibe einer einzigen Attacke. Aber Titan Souls ist nicht für jedermann, wer Rätsel, Erkundungen, Fähigkeiten, Aufleveln und Looten liebt, wird hier womöglich nicht sein Glück finden. Vielmehr richtet sich das Game an Spieler, die sich in gerne an Bossen aufhängen. Und wer Fan eines hohen Schwierigkeitsgrades ist, der wird Titan Souls lieben. Fernab der spielerischen Güte bietet das Spiel zu wenig. Die Spielzeit ist sehr knapp und auch in der Breite wird hier etwas wenig geboten. Die Entwickler liefern aber ein sehr tolles Spiel ab, welches die etwas happig anmutenden 15€ durchaus wert sein kann.
Bildquelle: Devolver Digital