Ein gelungenes Reboot? – Need For Speed im Test

Seit Jahren schon erschien jedes Jahr ein neuer Need For Speed Ableger in den Geschäften, welche meistens auch recht gut ankamen. Doch nachdem die Teile Need For Speed Most Wanted und Need For Speed Rivals eher aus mäßige Begeisterung stießen, entschied sich EA wohl zu einer einjährigen Pause, um der Serie daraufhin ein Reboot zu verabreichen und sie schön gegen die Wand zu setzen.

"Coole" Charaktere und Handys

Quelle: EA

Ist eine Story in einem Rennspiel wichtig? Von mir ein ganz klares nein dazu, doch wenn sie gut inszeniert ist, kann man sich doch hin und wieder eine Zwischensequenz anschauen. Sogar wenn es die übliche wiedergekäute Geschichte eines Streetracer-Talents ist, welcher neu in der Stadt ist und Anschluss in der dortigen Tuining- und Streetracer-Szene findet, so wie es auch in Need For Speed der Fall ist. Doch zum Skippen der Zwischensequenzen kommt es dann, wenn diese mit echten Schauspielern gedreht wurden, welche alle schön in Klischeehafte Rollen schlüpfen und furchtbare Pseudo-Coole Sprüche von sich geben. Soll ich mir das etwa anhören und geschweige denn anschauen? Danke, dass man diese Sequenzen auch einfach überspringen kann, denn ich kann auf den Hipster, den soooo coolen Schwarzen, die Mechanikerin mit Kaugummisucht und die Blonde, die einfach immer dabei ist, wirklich verzichten. Ich frage mich ernsthaft, wer die Zielgruppe für diesen Mist sein soll. Aber ein Gegenstand darf bei solchen Charakteren natürlich nicht fehlen: Das Handy. Es klingelt immer, wirklich immer und in den ungünstigsten Situationen. Muss da immer wieder dieses dämliche Gelaber kommen? Können die mir nicht einfach eine Nachricht mit zwei Sätzen schicken? Aber bitte nicht so wie die Tutorial-Einblendungen, welche mir immer wieder bei über 200 Sachen den kompletten Bildschirm versperren. Lesen und fahren zugleich kann doch etwas anstrengend sein.

Schrauber hergehört!

Nun vergessen wir die Story mal (wenn ich das nur könnte) und kommen zum Tuning. In der Need For Speed Reihe wurde Tuning mit der Zeit immer beleibter und spielte auch eine immer wichtigere Rolle. Im Aktuellen Ableger ist das auch nicht anders. Schrauber werden hier sicher zufriedengestellt, denn von den Reifen, Bremsen und anderen Basics mal abgesehen, lassen sich auch Teile wie Ladeluftkülhler, Fahrwek oder Nitrosystem upgraden. In der Werkstatt weiß Need For Speed zu gefallen, bis auf einen kleinen Designfehler, der wirklich große Auswirkungen hat. Wenn man neue Upgrades freischaltet, zum Beispiel durch das Absolvieren von Missionen oder das Erreichen eines bestimmten Fahrerlevels, erfährt man nie, in welcher Kategorie die neuen Teile zur Verfügung stehen. Dann heißt es also auf gut Glück alles in der Werkstatt zu durchforsten um eventuell nach langer Suche auf das neue Teil trifft. Wieso gibt es hier nicht einfach einen kleinen Hinweis mit dieser Information, der einen Haufen Frust und Zeit erspart. Doch trotzdem: Die Werkstatt in Need For Speed ist sehr gut und erinnert schon an gute Rennsimulationen, denn neben den Wagenupgrades lässt sich das Setup auch dahingehend anpassen, dass man zum Beispiel den Reifendruck getrennt anpassen oder die Stabilisatoren und sogar die Federhärte ganz auf das eigene Bedürfnis einstellen kann. Hier lässt Need For Speed das Herz eines Auto-Fans wirklich höher schlagen. Schade nur, dass man nicht mehrere Setups speichern kann. Schließlich sollte man Driftrennen nicht wie Zeitrennen angehen -und so muss man vor fast jedem Rennen zurück in die Werkstatt um das optimale Ergebnis zu erzielen.

Rennen und Cops

Wenn man sich seinen Boliden schön zusammengestellt hat, geht es logischerweise an die Rennen. Leider sind klassische Rennen durch die Stadt eher Nebensache, denn gerade Rennen die auf Stilpunkte ausgelegt sind dominieren die Veranstaltungen. Das heißt, man wird eher driften als wirkliche Rennen fahren. Doch in einer gewissen weiße bin ich froh gewesen, dass klassische Rennen eher rar gesät sind, denn diese sind wieder mit einer schönen Gummiband-KI ausgestattet. Das heißt, alle Autos hängen schön nah beisammen und selbst wenn man eine super Leistung ablegt und kurz vor Schluss einen kleinen Fehler macht, sieht man die Konkurrenz vorbeirasen. Wenn man nicht gerade mit einem Mammutmotor ausgestattet ist, wird dies auch öfters passieren. Doch auch hier greift das Gummiband, denn ist dies der Fall, so ist die Konkurrenz so nett und schaltet ein paar Gänge zurück. Diese Freundlichkeit ist in Teamdrifts allerdings wieder vergessen, denn da wird auch gerne mal in den Kurven von Teammates gerempelt und bei einem Unfall einfach davongefahren so dass niemand die Punkte bekommt.

Wenn man möchte kann man auch selbst mal etwas Gummiband spielen, dafür muss man nur einen Cop suchen. Zuallererst stellt sich dies bereits als unangenehm schwer heraus, denn es kann schon mal sein, dass man zehn Minuten durch die Stadt rast und keinen einzigen findet. Hat man dann mal einen gefunden heißt es: Langsam fahren, ist ja schon spät. Die Polizei scheint ganz schön müde zu sein, denn man entkommt den Cops die meiste Zeit so unfassbar schnell, dass man immer wieder warten muss, damit diese aufholen können. Und auch wenn man sich immer jagen lässt, so dauert es viel zu lange bis einmal Straßensperren errichtet werden oder Verstärkung kommt. Ich möchte rasante Verfolgungsjagten mit Straßensperren an jeder Ecke und nicht einen müden Cop, der einfach nur seine Kaffeepause herbeisehnt.

Onlinezwang, aber so richtig.

Quelle: EA

Ich denke ich habe inzwischen genügend negative Punkte aufgezählt. Doch da ist ja noch der Onlinezwang. Was haben sich die Entwickler Ghost Games dabei gedacht, dem Spieler einen Onlinezwang zu erteilen? Online-Features sind in einem Rennspiel wohl ein Muss, doch wieso denn permanent? Der Gedanke an Wartungsarbeiten oder Verbindungsprobleme, in denen das Spiel völlig unbrauchbar wird, drängt sich mir auf. Hinzu kommen Autos aus dem Nirgendwo und andere Spieler die gerne auch mal das Rennen eines anderen Sabotieren indem man einfach frontal in diesen reinfährt. Dass es sich dabei immer um Versehen handelt bezweifle ich. Da ist der Spielspaß so schnell verschwunden, dass ich lieber noch einmal einen der alten Ableger der Reihe heraussuche. Wenigstens kann ich das bei älteren Ablegern noch, denn werden hier die Server abgeschaltet, kann man das Spiel direkt in die Tonne schmeißen. Was benötige ich in einem Rennspiel an Online-Features? Ganz klar: ich muss mit anderen Spielern (ungestört!) Rennen fahren können und es muss Bestenlisten geben, in denen ich mich mit Freunden vergleichen kann. Ersteres ist zum Teil möglich und letzteres ist gegeben. Durch ein praktisches Icon werden Veranstaltungen markiert, in denen einer der Freunde besser war und so kommt man auch immer wieder gerne zu der ein oder anderen zurück.

Fazit

Ich hatte gehofft, dass EA mit Need For Speed einen soliden Arcaderacer abliefert, der ordentlich Leistung unter der Haube hat. Und zu Beginn schien es auch so, denn gerade durch gute Grafik und viele vielversprechende Features bot sich mir ein schönes Bild. Leider war das bevor ich mein Testmuster erhielt. Need For Speed ist kein gutaussehender 200 PS Bolide, sondern eher ein allter, tiefer gelegter Golf mit Heckspoiler. Eine nervig inszenierte Story, Onlinezwang und Gummiband-KI sowie eine langweilige Spielwelt können einfach nicht durch die (zum Großteil) gut gelungene Werkstatt wett gemacht werden. Es wäre keine Schande gewesen, wenn Entwickler Ghost Games auch mal einen Blick auf die eindeutig stärkere Konkurrenz geworfen hätten.

Good

  • Umfangreiche Werkstatt
  • Gute Grafik

Bad

  • Onlinezwang
  • Gummiband-KI
  • Dämliche Story
  • Lahme Verfolgungen durch Cops
5.5

Durchschnittlich

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